Sonntag, 4. November 2012

Der Kampf

Es war dunkel. Nur eine Straßenlaterne in weiter Ferne zeugte von der Existenz einer Zivilisation. Leider war dies damit auch schon alles. In mir fühlte sich alles taub an, jegliches Gefühl wurde von einer unbändigen Wut überlagert. Ich ging darin verloren. Nichts war mehr menschlich an mir.
Etwas bewegte sich auf mich zu. Kleine Mädchenhände legten sich um meine Schultern,suchten nach Schutz und Wärme- all das, was ich ihr in diesem Moment nicht geben konnte.
Endgültig war alles in mir zerbrochen. Auch die letzte Hoffnung war wie ein einsamer Keimling im Winter gestorben.
Der Körper des Mädchens an meiner Brust schüttelte sich. Es weinte bittere Tränen.
Diesem Gefühl, an dem mich das Mädchen so unvermittelt teilhaben ließ, und ihre offenkundige Suche nach Schutz, ließen mich wieder zu mir selber finden. Die Wut und den Hass verschloss ich hinter einer schweren Eichentür  tief in mir, denn dieses Mädchen in meinem Arm würde nun das Wichtigste für mich werden. All meine Sinne konzentrierte ich auf sie. Es zu beschützen und ihm all die Liebe zu geben, die es so schmerzlich missen musste, das würde mich ganz ausfüllen.
Aus meiner Tasche holte ich ein Taschentuch und reichte es ihr, damit sie die Blutung stillen konnte. Der Schlag hatte ihrem Gesicht stark zugesetzt, ihre Augen waren blau unterlaufen und geschwollen. Viele Tränen hatte sie vergossen. Sie ließ mich in ihnen lesen, und was ich sah, erschrak mich. Jegliche kindliche Unschuld hatte sie verloren.  Ihre Augen zeigten mir eine bittere Ernüchterung und Hoffnungslosigkeit.
Wieder spürte ich diese unbändige Wut in mir, sie riss an ihren Fesseln und hatte schon längst die Eichentür zerbrochen. Werte, die mir immer lieb und teuer waren, die ich gehütet hatte wie einen kostbaren Schatz wurden von dieser Wut verschlungen. Ich fühlte mich meinem Feind näher als je zuvor-
und doch ließ mich eine Erkenntnis innehalten. So unwirklich das auch klang, wir hatten gewonnen!
Wir hatten einander. Ich würde mich nicht verlieren, denn ich hatte sie, das Wichtigste für mich auf dieser oft dunklen Welt. Sie würde mich raus aus meinem Loch reißen, und auch wenn ich mich veränderte, ich könnte ihr nie etwas antun.
Ich wusste, dass es noch viele Kämpfe zu bestehen galt. Sie war nur gegangen um sich ihre Wunden zu lecken. Doch im Gegensatz zu ihr, hatte mein Kampf einen Sinn, nicht der Wahnsinn peinigte mich und trieb mich zu diesen Gräueltaten.
Ich hatte gesiegt. Dieses Wesen, dass sich rettend an mich klammerte, was mir näher und ähnlicher als sonst jemand war, war bei mir und in Sicherheit.
Jeden Kampf, den man zu kämpfen hat, sollte man nach seinem Sinn suchend noch einmal überdenken, bevor man ihn antritt. Denn auf einer Seite steht immer einer, für den es sich wirklich lohnt, und einer dem das Kämpfen ein Zeitvertreib oder der Wahnsinn ist.

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