Montag, 12. März 2012

Die wirklich schönen Dinge kann man auf der Straße finden

Sie eilte die Straße entlang, denn sie hatte es eilig. Sie durfte ihren Bus nicht verpassen, nicht schon wieder, nachdem sie ihr Vater das letzte Mal schon abholen musste. Die Geschäfte zogen an ihr vorbei. Doch plötzlich blieb sie stehen. Sie hatte etwas aus dem Augenwinkel gesehen, was nicht in die triste Umgebung ihrer Kleinstadt passte. Normalerweise wäre es ihr gar nicht aufgefallen. Aber heute war etwas anders. Sie beugte sich über die Bordsteinkante auf die Straße, wo jemand achtlos und scheinbar in Eile, eine einzelne Blume verloren hatte. Es war eine von den besonders Schönen, eine derer, die selbst im kältesten Winter an den Sommer erinnerten. Verlassen lag sie auf der Straße. Sie hatte trotz des regen Betriebes keinen Kratzer abbekommen. Als stände sie unter einem besonderen Schutz. Als ob sie eine wichtige Aufgabe zu erfüllen hätte. Als würde sie dort, wo sie lag, auf jemanden warten. Ihre Betrachterin nahm sie an sich und schaute voller Entzücken und Verwunderung auf dieses kleine Gewächs hinunter. Was wäre, wenn man sie mit Absicht verloren hatte? Wenn sie aus einer verloren gegangenen Liebe entstanden ist? In Wut und Trauer unbedacht auf die Straße geworfen. Wenn sie jemanden den Abschied versüßen sollte, sie ihm ihn aber zusätzlich erschwert hatte? Wenn sie aus Liebe verschenkt, verloren und nun sehnsüchtig gesucht wird? Selbst wenn sie ihrem Eigentümer kein Glück beschert hatte, war sie doch für ihre Finderin etwas ganz Besonderes. Die ganze Last, die Hektik und Nervosität viel von ihr ab. Sie stand einfach nur auf dem Gehweg, nahe dem Bordstein, während die Menschen an ihr vorbei hasteten. Ihr Innerstes wurde mit einem
solchen Glücksgefühl überflutet, dass sie ihre lang verloren geglaubte Ruhe und Zufriedenheit wiederfand und sie mit festen, aber ruhigem Schritt ihren Weg fortsetzte und trotzdem noch pünktlich ihren Bus erreichte. Die wirklich schönen Dinge kann man auf der Straße finden.


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